WANDERNDE AGRARKULTUR
Die „Freie Internationale Wanderschule für Biodynamische Agrar-Kultur“ hat es sich zum Ziel gemacht, die Demeter-Landwirtschaft in die Welt zu tragen – kostenlos und ohne wirtschaftliche Interessen.
„Der Absatz von Demeter-Erzeugnissen in Deutschland und anderen europäischen Ländern ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen, die inländische Erzeugung stagniert dabei nahezu. Damit kommt immer mehr Demeter-Rohware aus außereuropäischen Ländern, etwa der Türkei“, sagt Ralf Kunert von der Naturamus GmbH, die Roh- und Ausgangssto±e für die Pharma- und Kosmetikindustrie bescha±t. In diesen Ländern würden Landwirtschaftsbetriebe oftmals von Rohwarenhändlern bei der Umstellung auf biologisch-dynamische Wirtschaftsweise beraten. Diese haben in der Regel den Mehrpreis von Demeter-Waren sowie deren Profitabilität im Blick. „Biologisch-dynamische Maßnahmen werden immer weniger aus Überzeugung und aus einer gründlichen Ausbildung heraus angewendet“, erläutert Hans Supenkämper, Berater für Demeter-Landwirtschaft und neben Ralf Kunert einer der Mitinitiatoren der Wanderschule.
Sie verfolgen mit ihr ein sogenanntes Open-Source- Konzept. Das heißt, sie beraten interessierte Betriebe bei der Umstellung und Anwendung dieses besonderen Konzepts der Landwirtschaft ohne Eigennutz und finanzielle Interessen mit dem Ziel, sich so schnell wie möglich überflüssig zu machen. Gleichzeitig sollen kompetente Beraterinnen und Berater vor Ort ausgebildet werden.
„ES GEHT UM DIE BEFÄHIGUNG ZUR SELBSTSTÄNDIGKEIT“
Hans Supenkämper, biologisch-dynamischer Berater
Die Türkei gehört bei der Wanderschule seit der Gründung von Demeter Türkei zu einer der wichtigsten Projektregionen. Im Fokus stehen aber auch Länder ohne eigene Demeter-Organisationen wie Argentinien, Äthiopien, Iran, Chile oder Kenia. In Kenia wurde erst vor kurzem ein Kurs für die Umstellung mit mehr als 5.000 Bauern durchgeführt. „Ein halber Hektar Land ernährt dort eine Familie“, so Hans Supenkämper. „Die Kulturen sind sehr vielfältig – Ka±ee, Avocados, Macadamianüsse und Gemüse, die relativ divers jeweils auf einer kleinen Fläche gedeihen.“ Inzwischen wird das Projekt von den Kenianern selbst geleitet. „Am meisten hat mich fasziniert, dass die Initiative, biodynamisch zu arbeiten, von den Menschen vor Ort kam und nicht von einer deutschen Firma, die Rohsto±e braucht“, ergänzt Ralf Kunert. Die Maxime der Bauern sei: Wenn es dem Baum gutgeht, geht es auch mir gut. Zudem könnten die Landwirte zu jedem Baum seine eigene Geschichte erzählen.
FASZINATION KOMPOST
Früher haben die Bauern in Kenia einfach eine Grube gegraben, um die pflanzlichen und tierischen Abfälle loszuwerden; sie verrotteten dann mit der Zeit. Nun wurden richtige Komposte aufgesetzt.
Ein Video erreichte das Team der Wanderschule, das die Faszination der Menschen von dieser Art der biologisch-dynamischen Kompostierung zeigt, die sich (im Gegensatz zur Grube) durch eine Innentemperatur von bis zu 65 Grad Celsius auszeichnet. „Es geht eben nicht um Labels, sondern um Anbau bedingungen“, erläutert Hans Supenkämper. „Wir haben einen großen Schritt gemacht in Richtung Erzeugerqualität.“
INTERDISZIPLINÄRE ZUSAMMENARBEIT
Die Initiatoren ergänzen sich mit ihren Erfahrungen optimal für die anstehenden Aufgaben. Zu langjähriger landwirtschaftlicher Praxis und internationaler Beratungstätgkeit kommen umfangreiche Kenntnisse im Einkauf von Rohwaren und in der nationalen und internationalen Qualitätssicherung des Demeter-Verbands hinzu.
Ein ähnliches Konzept wie die Wanderschule gibt es bisher nicht. Ihr Ziel ist es, die biologisch-dynamische Ausbildung so zu gestalten, dass sie unmittelbar zu qualitativ hochwertigeren Erzeugnissen führt und gleichzeitig die Umwelt profitiert. Dieser Anspruch, der an die Gegebenheiten und die kulturellen Faktoren in den Regionen angepasst wird, soll auf Augenhöhe ohne Bevormundung stattfinden und sich selbstständig weiterverbreiten. Im Konzept der Wanderschule geht es so auch um tiefere Aspekte der Zusammenarbeit:
Suchen, Finden und Pflegen, das heißt Unterstützung beim Entwickeln eines erweiterten Verständnisses für die Bedeutung der Landwirtschaft.
Impulse geben und Bewusstsein schaffen, also den Menschen zu befähigen, aus eigener Begeisterung und durch ehrliche biologisch-dynamische Arbeit gute Produkte zu erzeugen. So kann eine ständige Balance und Weiterentwicklung, zwischen dem Ideal und den realen Möglichkeiten des Hofes erzielt werden.
Wahrnehmen, Begegnen, Austauschen, durch den Austausch von Erfahrungen und Wissen in die Selbstständigkeit und Selbstverantwortung führen.
Strukturieren, Organisieren, Versorgen, bedeutet gute Strukturen zu entwickeln, um professionell und wirtschaftlich arbeiten zu können, in einer offenen und ehrlichen Begegnung mit allen Beteiligten.
Die Idee, die gemeinsam getragen wird und ganz praktisch im Boden wurzelt und wächst, bildet den Rahmen für zukünftige biologisch-dynamische Arbeit. Die Quintessenz ist dabei, die „biologisch-dynamische Entwicklungsbegleitung als ‚Abenteuer‘“ zu sehen, in einem Raum, der Kreativität zulässt und diese in praktischen Nutzen transformiert.
Hans Supenkämper
Der ehemalige Demeter-Landwirt ist heute Berater für biologisch-dyamischen Landbau – vor allem
in Entwicklungs- und Schwellenländern. Er prägte den Begriff des „spirituellen Kompostierens“,
der bedeutet, dass der Mensch aus seinen individuellen „Abfällen, Einseitigkeiten und Hindernissen“
neue Fähigkeiten und Kräfte für soziale Prozesse entwickeln kann. Seit 2007 ist er im Auftrag der
WALA Heilmittel GmbH für die Entwicklung des biologisch-dynamischen Rosenanbaus weltweit
unterwegs.